Es gibt Nikolaus- und Weihnachtsfeiern, Halloween und etliches mehr, was im Jahresverlauf in Deutschland auch in Jugendhäusern gefeiert wird. Dem wollte die Leitung des Jugendhauses Nexus in Oberesslingen eine Alternative entgegensetzen und hatte zum „Iftar für alle“ eingeladen. Mehr als 50 Mädchen und Jungen waren da, viele in Begleitung ihrer Geschwister und Eltern. Sie alle feierten das traditionelle Fastenbrechen im Ramadan bis spät in den Abend.
Sinem Yüksel ist hauptamtliche Mitarbeiterin im Jugendhaus Nexus. Die Sozialpädagogin weiß, wie wichtig der Ramadan vielen muslimischen jungen Menschen ist, und wie wenig er oft in der hiesigen Gesellschaft wahrgenommen wird. „Wir haben hier im Haus den Winter-schmaus vor Weihnachten, aber wir haben noch nie ein Ramadan-Fest gefeiert“, sagt sie. So wurde der „Sommerschmaus mit Ramadan-Edition“ aus der Taufe gehoben und als Projekt angemeldet, das der Integrationsfonds Esslingen mit 500 Euro gefördert hat. „Alle sind willkommen“, haben die Veranstalter in ihre Ankündigung geschrieben, denn das abendliche Fastenbrechen dient in erster Linie der Gemeinschaft in der Familie und im Freundeskreis. Und das Fest sollte auch dazu dienen, Vorurteile und Unkenntnis über den Ramadan und seine Regeln abzubauen. Denn die gibt es, wie viele Jugendliche berichteten. Sarulla beispielsweise ist Schüler der Realschule in Oberesslingen und erklärt seinen Mitschülern immer wieder, dass man auch während des Fastenmonats Sport treiben kann, und das tägliche Fasten nur am Anfang schwer ist. „Der Körper gewöhnt sich ganz schnell daran“, sagte er. Das meiste sei „Kopfsache“. Durch das Fasten erkenne man, „dass der Mensch gar nicht so viel benötigt, wie er glaubt.“ Suralla betonte, dass man auch auf Musik fasten kann oder auf die Nutzung des Handys. Für den 13-jährigen Mohamed ist das Fasten selbstverständlich: „Meine ganze Familie macht das.“ Auch die fünf Gebete über den Tag achte er und weiß es zu schätzen, dass man ein Gebet auch mal nachholen kann, wenn es mal nicht passt. Baran, zwölf Jahre, sagte, es mache ihm Spaß zu fasten. „Ich bin stolz darauf, dass ich das durchhalte.“ Ibrahim (14 Jahre) findet Fasten nicht anstrengend, weil es „etwas Schönes und Wichtiges“ sei. „Ich faste für mich und für Gott“, erklärte er. Er und Aram (14 Jahre) sind beide Fußballer – auch im Ramadan. „Das ist kein Problem, man hat Energie genug.“
Gefastet wird auch im christlichen und jüdischen Glauben. Das erklärte Taher Al-Radwany, der dem Fest einen Besuch abgestattet hat. Der promovierte Paläontologe engagiert sich unter anderem im interreligiösen Gesprächskreis Esslingen. Er betonte die Gemeinsamkeiten der jüdischen, christlichen und muslimischen Religion, was sich unter anderem im Fasten zeige. Die Schwestern Tijana und Vanja Pisarevic gaben dafür ein gutes Beipiel ab: Sie verzichten auf Fleisch, wie es in der christlichen Kirche von Aschermittwoch bis Ostern üblich ist. Auch an sie hatten die Veranstalter mit etlichen fleischlosen Gerichten gedacht. Neben der traditionellen Suppe zum Einläuten des Iftar haben die Ehrenamtlichen in der Küche Reis, Fleischbällchen, Kartoffeln, gebratene Paprika, Yoghurt mit Gurke und Knoblauch, Börek und Muffins vorbereitet. Bis nach 23 Uhr wurde gefeiert. Sinem Yüksel freute sich über das Gelingen des ersten Abends dieser Art und lobte „ihre“ Jugendlichen: „Alle waren ungeheuer hilfsbereit, haben serviert, abgeräumt und abgespült“. Zuvorkommenheit hat auch Taher Al-Radwany erfahren. Dem älteren Herrn haben die Jugendlichen den passenden Bus nachhause rausgesucht und ihn zur Bushaltestelle begleitet.
Info:
Ramadan: Der diesjährige muslimische Fastenmonat hat am 2. April begonnen und dauert noch bis zum 2. Mai. Da der Mondkalender für die Terminierung zugrunde liegt und das islamische Festjahr 354 statt 365 Tage hat, verschiebt sich der Ramadan um zehn oder elf Tage pro Jahr nach vorn und durchläuft so allmählich alle Jahreszeiten.
Fasten: Während des Ramadans verzichten gläubige Muslime von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Sex und Rauchen. Das Brechen des Fastens heißt Iftar und wird meist mit einer Dattel oder eine Suppe begonnen. Der am eigenen Körper empfundene Mangel soll die Muslime dazu bewegen, anderen zu helfen und Verständnis für arme und hungernde Menschen zu entwickeln.
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